Schon seit längerem ist mir die 4 Prozent Regel bekannt. Kurz gesagt, brauchst du 25x soviel Vermögen, wie du im Jahr ausgibst, um nicht mehr arbeiten zu müssen. Heute habe ich sie mir etwas genauer unter die Lupe genommen.
Die Trinity-Studie
Wir machen jetzt eine kleine Zeitreise zusammen. Das coole daran, wenn man Meister über Zeit und Raum ist, du kannst die Zeit nicht nur zurück oder nach vorne drehen, du kannst dich auch überall hin beamen. Wir beide machen jetzt einen Ausflug in die USA ins Jahr 1994.
Weil die Rente nicht reicht, kaufen sie Aktien
Warum in die USA? Nun die Amis waren schon damals gegenüber Aktien viel offener als wir in der Schweiz. Vermutlich liegt es daran, dass die gesetzliche Rente in den Staaten kaum ausreicht, um über die Runden zu kommen. Und hier sind sie doch für einmal einen Tick schlauer als wir - sie verlassen sich nicht wie wir auf die AHV sondern unternehmen aktiv etwas dagegen, indem sie Aktien kaufen.
Einer war schlauer als alle anderen
Die Amerikaner liessen sich gerne von Finanzberatern ausrechnen, wie viel sie jeden Monat investieren müssen, um von ihrem Aktiendepot zu leben. Die Antwort sah dann in etwa so aus:
"Die Börse rentiert langfristig im Schnitt mit 7% jährlich. Sie können also 7% Ihrer Anlagen verbrauchen jedes Jahr."
Das man dieser Empfehlung blind folgte, kann ich nicht verstehen. Auch wenn ich auch davon überzeugt bin und es genug Statistiken gibt, die Beweisen dass die Börse wirklich 7% im Schnitt zulegt, so reden wir halt doch "nur" vom Durchschnitt. Es gibt auch Jahre, wo man mit Verlusten rechnen muss. Mit dieser Strategie konnte man also sehr schnell Pleite gehen, wenn die Aktien fielen.
Wer dieser Empfehlung zum Glück nicht blind folgte war William Bengen. Er selbst war 1994 als Finanzberater tätig. Nachdem er wohl länger als nur fünf Minuten über Geld und die Empfehlung seiner Kollegen nachdachte, wollte er es genauer wissen.
Die Revolution der Rentenplanung
Bengen musste ein Zahlennerd sein. Mit Hilfe einer umfangreichen Chronik der historischen US-Aktienrenditen, die bis 1926 zurück reichte, berechnete er das Risiko ungünstiger Rendite-Reihenfolgen. Achtung jetzt wirds technisch.
Seine Ausgangslage zur Berechnung:
- Das Rentenportfolio investiert zu 50 % in den S&P-500-Aktienindex und zu 50 % in US-Staatsanleihen mittlerer Laufzeit.
- Jedes Jahr wird ein gleichbleibender Betrag aus dem Portfolio entnommen. Genauer gesagt soviel, wie die Höhe deiner Ausgaben für ien ganzes Jahr. Diese werden lediglich jährlich an die Inflation angepasst. Diese Entnahmerate wird in Prozent des anfänglichen Portfoliowerts angegeben. Angenommen, das Portfolio ist zu Rentenbeginn CHF 100.000 wert. Dann bedeutet eine Entnahmerate von 4 %, dass man Jahr für Jahr (inflationsbereinigte) CHF 4.000 daraus entnimmt.
Mit seinen eigenen Spielregeln experimentierte Bengen während verschiedenen Zeitfenstern (von 50 Jahren) in der Vergangenheit, wie sich das Vermögen entwickelt hätte. Er rechnete mit 3, 4, 5 und 6%.
Das Ergebnis: verbrauchst du nicht mehr als 4%, überlebte ein Portfolio in allen getesteten Zeitfenstern mindestens 30 Jahre lang. Das Portfolio konnte so zwar abnehmen, es war aber nie ganz auf Null. So gesehen kannst du ab Pension noch 30 Jahre lang gut leben. Quasi von 65-95. Das ist länger als die Pensionskassenrente geplant ist (bis 86).
Die Geburtsstunde der 4 Prozent Regel
Es war im Oktober 1994 als William Bengen seine Erkenntnisse publizierte. Der Artikel ging viral. Naja - so viral wie ein Artikel halt gehen kann 1994. Was ich sagen will, viele Finanzberater haben ihn gelesen und die Erkenntnisse auch umgesetzt. Die 4 Prozent Regel etablierte sich.
2016 wurde die Studie übrigens wiederholt, mit aktuellen Zahlen der Börse. Das Ergebnis war dem von Bengen sehr ähnlich.
Es gab genau ein Zeitfenster, 1966, wo man mit der 4 Prozent Regel nach genau 30 Jahren kein Geld mehr gehabt hätte. In allen anderen Jahren wäre nicht nur Geld übrig geblieben, in einigen hätte man es sogar weiterhin vervielfacht. Man hätte also auch mehr als vier Prozent entnehmen können.
Spannender Ansatz aber...
Die detaillierte Studie ist superspannend. Der Hacken liegt aber ganz klar im hohen Vermögen. Möchtest du in der Schweiz ein jährliches Einkommen von CHF 60'000, brauchst du bereits ein Vermögen von CHF 1.5 Mio, wenn du die 4 Prozent Regel einsetzt. Bei CHF 100'000 gar 2.5 Mio. Für die meisten bleibt das also ein Traum.
Finanzielle Freiheit durch FIRE und der 4 Prozent Regel
Viele streben aber genau nach dem. Finanzielle Freiheit durch Vermögensaufbau, damit sie die 4 Prozent Regel umsetzen können. Und das so schnell wie möglich. Das ganze nennt sich FIRE (financial independence retire early) und ist in den USA ein mega Trend, der auch bereits in die Schweiz übergeschnappt ist.
Ab heute weisst du wenigstens, von was die überhaupt reden.
Bis bald,
FinanzFabio
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161 Kommentar
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[…] die letzten 30 Jahre nicht mehr in deinen Anlagehorizont einzurechnen. Im Gegenteil, nehmen wir die 4%-Regel als Grundlage, macht es sogar extrem Sinn, die Aktienquote möglichst hoch zu […]